unförmige Gefäße

 
Ich sitze Stunden am Bett eines Menschen. 

Ich sitze Stunden bei einem Gefäß aus Ton. 

Mit dem Menschen rede ich. Oft höre ich einfach zu. Oder bin einfach da. 
Mit dem Ton entstehen Formen. Ich lasse meine Hände arbeiten. Ich bin da und dann noch eine weitere Form aus Erde. 

In den Stationen im Krankenhaus, in denen ich gelegentlich als Sitzwache arbeite, liegen Menschen im Bett, die meist mit vielen Schläuchen verbunden sind. 
 Viele sind einfach da. Sie liegen in ihren Betten und atmen. Vielleicht träumen sie? Oder dämmern sie dahin? 

Jemand, den ich kenne, hat einmal gesagt: „Das ist doch alles schon Gemüse, was da im Krankenhaus so liegt.“
 An den Satz habe ich mich bei meiner letzten Sitzwache erinnert, als ich den Mann im Bett nebenan betrachtet habe. Ohne Gebiss und als schlafender, oft unkontrolliert zuckender, alter Körper verbunden mit all den Schläuchen. Wie sein dicker Bauch und seine dünnen Arme von den Pflegern gereinigt worden sind, von am Körper verschmierten Exkrementen. Danach haben sie ihn mit einer Bodylotion eingecremt.
 Seine Frau ist zu Besuch gekommen. Sie hat sich an sein Bett gestellt, seine unruhige Hand genommen, seine Arme gestreichelt und seine Brust. Sie ist für Stunden an seiner Seite gestanden, hat ihm vom Garten zu Hause erzählt und dabei nie aufgehört, seinen Arm und seine haarige Brust zu streicheln. 


Meine Unförmigen Gefäße, die mir sehr kostbar sind, sind mein Ausdruck dafür.
Ich möchte die Geschichten aus dem Krankenhaus nicht aufschreiben. Die Dinge, die mir die Menschen dort anvertrauen nicht preisgeben. 
Aber die Gefäße entstehen aus der Berührung meiner Hand.
Und genau so kann ich meine Bewegtheit weitergeben oder sichtbar machen.
Leider fehlt es an Personal und Zeit im Krankenhaus. Durch schlechte Arbeitsbedingungen und Rationalisierung geht genau das, was ich in meinen Gefäßen ausdrücken möchte, verloren. Zeit, Aufmerksamkeit und Liebe. Wenn das fehlt…
Dann werden die Menschen wirklich zu Gemüse.